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Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften

Didaktik der Geographie – Frau Prof. Dr. Gabriele Schrüfer

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Weiterführende Erkenntnisse

Ziel der Begleitung der Projektschulen war es auch, Bausteine eines übertragbaren Schulentwicklungsprozesses, Gelingensbedingungen und wichtige Weichenstellungen zu identifizieren, die eine Nachahmung und Übertragung auf andere Schulen oder Projekte ermöglichen. 

Die nachfolgend dargestellten Erkenntnisse und Schlussfolgerungen leiten sich aus folgenden Quellen ab:

  • Fragebogen, den die BNE-Teams der Projektschulen zur Evaluation am Ende des Projektes digital beantwortet haben.

  • Ergebnisse aus den Abschlussworkshops mit den BNE-Teams der Projektschulen.

  • Vergleichende Analyse der Begleitprozesse mit allgemeinen Erkenntnissen zu Schulentwicklung und BNE.

Eine ganzheitliche Schulentwicklung wie sie der Whole School Approach vorsieht, sollte immer eine Synthese aus Organisations-, Personal- und Unterrichtsentwicklung (Rolff 2013) darstellen und das transformative Potential einer Bildung für nachhaltige Entwicklung aufgreifen, das heißt die Schulen dazu ermutigen die Grenzen des Bekannten und Gewohnten auszudehnen. Dieser Grundgedanke sollte sich in allen Bausteinen des Prozesses widerspiegeln.

Bausteine erfolgreicher Schulentwicklungsprozesse

Die nachfolgend genannten Bausteine sind Grundelemente des Schulentwicklungsprozesses, wie er in unserem Projekt gestaltet war. Jede Schule hat daneben aber eigene Schwerpunkte gesetzt und ergänzende, bedarfsorientierte Workshops und Formate eingesetzt, so wie im Bereich Projektschulen im Detail beschrieben.

BestandsaufnahmeEinklappen

Ein zielführender Entwicklungsprozess beginnt immer mit der ehrlichen Frage: Wo stehen wir heute?

Um zu wissen, wohin die gemeinsame Reise gehen soll, ist eine fundierte Bestandsaufnahme unerlässlich. Sie liefert nicht nur eine Momentaufnahme, sondern ist die beste Navigation für alle zukünftigen Schritte. Diese Bestandsaufnahme sollte möglichst alle Akteursgruppen der Schulgemeinschaft (Lehrkräfte, Schülerschaft, Eltern) und ihre Perspektiven einbeziehen.

Im Rahmen des Projektes nutzten wir einen kurzen, digitalen Fragebogen (Situationsanalyse von Schule im Aufbruch auf Basis des Whole School Approachs einer BNE). Der Fragebogen dauert ca. 10–30 Minuten.

Die Auswertung der Ergebnisse in der Schulgemeinschaft ist entscheidend. Hier bietet sich in Form eines Workshops die Möglichkeit, Missverständnisse und Unklarheiten auszuräumen, eine gemeinsame Sprache für zukünftige Vorhaben zu entwickeln und direkt erste Ideen und Impulse für die weitere Entwicklung zu sammeln.

Dieser Auswertungs-Workshop kann Teil der Zukunftswerkstatt oder ein eigener, umfangreicher Termin sein. Bestandsaufnahme und Vision sollten zeitlich eng beieinander liegen. Ob Sie den Prozess mit der Analyse des Jetzt-Zustandes starten oder mit der Definition des Ideal-Zustandes (Methode: Backcasting), steht Ihnen frei – beides bildet die unverzichtbare Grundlage.

Gemeinsame Vision für die ZukunftEinklappen

Nachdem die Standortbestimmung die aktuelle Realität erfasst hat, wendet sich der Blick nach vorne: Wie sieht unsere ideale Schule von morgen aus?

Im Projekt wurden Ideen für den Ideal-Zustand mithilfe des Formats der Zukunftswerkstatt entwickelt. Diese bietet kreativen Freiraum, um alte Denkmuster zu verlassen und ist eine Einladung an die gesamte Schulgemeinschaft, ein gemeinsames, inspirierendes Zukunftsbild zu entwerfen, das den Entwicklungsprozess leitet.

Eine Zukunftswerkstatt ist, nachdem die genaue Problemfrage definiert wurde (z.B. “Wie können wir zeitliche Freiräume zum individuellen Lernen schaffen?”) in drei Schritte gegliedert:

1. Kritikphase
In dieser Phase werden alle Gründe gesammelt, warum das Problem bisher nicht gelöst oder verbessert werden konnte. Frustrationen und Mängel sollen benannt werden. Hier kann auch ein Rück- bzw. Einbezug der Standortbestimmung objektive Anhaltspunkte bieten.

2. Utopie-/Phantasiephase
In dieser Kreativ-Phase soll ohne gedankliche Begrenzungen oder Realitätsfilter ein Idealzustand entwickelt werden, wie das Problem im besten aller denkbaren Möglichkeiten gelöst werden könnte. Hierfür eignen sich auch gut Kreativitätsmethoden wie Traumreisen, Lego Serious Play oder Methoden aus dem Design Thinking.

3. Realisierungsphase
Die besten Ideen aus der Utopiephase werden nun auf Machbarkeit geprüft und in konkrete, realistische Ziele und Schritte überführt.

Je nach Möglichkeit kann der Workshop von einem halben Tag bis zu zwei ganzen Tagen dauern, um genügend Raum für kreative Tiefe zu bieten, als auch die konkrete Übersetzung der Ideen in Projekte zu beginnen. Auch die Wahl eines inspirierenden Ortes außerhalb der Schule kann hier sehr unterstützend wirken.

Ein wichtiger Schritt ist das Aufgreifen der gewonnen Ideen und die Übersetzung in konkrete Projekte und nächste Schritte. Hier hilft die Methode des Backcasting: Wir stellen uns vor, die Vision ist bereits Realität, und arbeiten uns dann rückwärts: Welche konkreten ersten Schritte sollten wir heute starten, um unser Ziel zu erreichen?

Das sich durch das Format der Zukunftswerkstatt die Ideen anhand der Problemfrage recht schnell auf konkrete Themen kanalisieren , ist es empfehlenswert, im weiteren Prozess noch einmal einen größeren Visionsprozess einzubauen. Durch eine umfassende Vision für die Schule in 10-15 Jahren lässt sich ein konkretisiertes, ganzheitliches Zielbild generieren, das dabei helfen kann die nächsten hilfreichen Schritte und Projekte besser und leichter zu priorisieren.

Regelmäßige ArbeitstreffenEinklappen

Um den Weg, der durch den Abgleich von Bestandsaufnahme und Vision vorgezeichnet wurde, zu gestalten, benötigt es regelmäßige Zeiträume zur Planung, Abstimmung, Erprobung und Evaluation für die jeweiligen Steuerungs- und Projektgruppen. Es empfiehlt sich hier mindestens monatlich, besser wöchentlich ein festes Zeitfenster einzuräumen, da sonst der Aufwand kognitiv wieder einzusteigen, zu hoch wird und gleichzeitig die nötige Motivation und Energie für den Wandel abflacht.

Arbeitstreffen benötigt es zum einen in den jeweiligen Projektgruppen als auch innerhalb der Steuerungsgruppe, um sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten, Synergien zu nutzen und gemeinsam die nächsten Schritte zu planen.

Reflexion und FeedbackEinklappen

Es ist wichtig, immer wieder auf die Metaebene zu wechseln, den Prozess an sich zu evaluieren und daraus Anpassungen für die nächsten Schritte abzuleiten. Neben der inhaltlichen Arbeit gilt es hier auch Aspekte der Zusammenarbeit im Team zu reflektieren.

Fortbildung und VernetzungEinklappen

Um eine Schulentwicklung im Sinne des Whole School Approaches gestalten zu können, benötigt es Ideen davon, wie dies umgesetzt werden kann. Fortbildungen und Vernetzung mit anderen Schulen oder Expert*innen fördern die Innovationsfähigkeit und den Wissenstransfer. Diese "Außensicht" verhindert zudem Betriebsblindheit und liefert neue Impulse, Methoden und Good-Practice-Beispiele.

Die genannten Bausteine können ihr Potential erst umfassend entfalten, wenn möglichst viele der folgenden Gelingensbedingungen vorliegen:

Unterstützung der SchulleitungEinklappen

Die Schulleitung nimmt als zentraler Motor für Schulentwicklung eine entscheidende Rolle ein. Durch eine transparente, partizipative und delegierende Führung kann sie die Zusammenarbeit sowie demokratische Entscheidungen innerhalb der Schulgemeinschaft fördern und die Schulkultur positiv beeinflussen.

Ohne die explizite Unterstützung und Wertschätzung durch die Schulleitung verlaufen Projekte oft im Sand. Die Leitung muss Türen öffnen und Freiräume gewähren.

Einbezug der SchulgemeinschaftEinklappen

Die Partizipation aller relevanten Akteur*innen (Lehrkräfte, Schüler*innen, Eltern, Schulleitung) ist zentral für die Akzeptanz des Prozesses und die systematische Verankerung der Entwicklungen. Erst durch die Einbindung verschiedener Perspektiven und Expertisen ist eine gemeinschaftlich getragene Veränderung möglich. Dieser Austausch auf Augenhöhe fördert das gegenseitige Verständnis und die Lösungsfindung. Wichtig ist hier, eine echte Partizipation anzustreben. Schüler*innen müssen erleben, dass ihre Stimme zählt und sie bei der Umsetzung von Ideen ernst genommen und einbezogen werden - so steigt die Identifikation mit der Schule enorm als auch die Motivation, sich einzubringen.

Hier benötigt es eine gute Balance zwischen Einbindung und Effizienz. Wichtige Fragen dabei sind:

  • Hier benötigt es eine gute Balance zwischen Einbindung und Effizienz. Wichtige Fragen dabei sind:

  • Wie können wir Partizipation gestalten, ohne zu überlasten oder ineffektiv zu werden?
Sichtbarkeit der VeränderungenEinklappen

Einzelne Aspekte der laufenden Projekte in der Schulentwicklung sollten einen zeitnahen, wahrnehmbaren Effekt auf die Schulgemeinschaft haben. So zeigt sich, dass das Vorhaben konkrete Reaktionen auf identifizierte Bedürfnisse anstößt. Diese sichtbaren Ergebnisse helfen, abstrakte Konzepte wie den Whole School Approach mit Leben zu füllen. Zudem erhöht es die Bereitschaft, auch an langwierigen Entwicklungsprozessen mitzuwirken, die keinen so direkten und schnellen Effekt im Schulalltag zeigen.

Schaffung zeitlicher RessourcenEinklappen

70 % der Beteiligten im Projekt gaben an - ebenso wie es zahlreiche Studien belegen: Zeitmangel ist eine der größten Herausforderungen in Schulentwicklungsprozessen. Hier gilt es, zeitliche Freiräume für Entwicklungsarbeit zu schaffen, z.B. durch klare Prioritätensetzung und De-Implementierung. Wenn die Schule eine klare Vision hat und nur die Projekte intensiv weiterverfolgt werden, die auf die Vision einzahlen, schafft dies zeitliche Freiräume. Dazu gehört natürlich auch, Dinge und Projekte zu reduzieren oder ganz wegzulassen, die nicht dienlich für die Vision der Schule sind.

Im besten Fall gelingt natürlich auch die Schaffung oder Aktivierung neuer zeitlicher Ressourcen durch die Ausweitung der personellen Unterstützung: Wo können z.B. Eltern, Pädagogische Mitarbeitende und Schüler*innen interessens- und stärkenorientiert gut in den Prozess eingebunden werden?  

Transparenz und klare EntscheidungsbefugnisseEinklappen

Es ist nicht ausreichend, Steuergruppen zu etablieren. Wichtig ist auch eine Klarheit darüber, welche Entscheidungsbefugnisse die Personen im Prozess haben, wer welche Aufgaben übernimmt und wie Transparenz gegenüber der Schulgemeinschaft hergestellt wird.

Ein entscheidender Baustein ist hier eine klare, breite Kommunikation über vielfältige oder klar abgestimmte Kanäle, um Desinteresse und Widerständen entgegenzuwirken.

Weiterhin ist es wichtig, ein gemeinsames Verständnis darüber zu schaffen, welche Gruppe oder welches Gremium welche Entscheidungsbefugnisse hat und wer informiert oder einbezogen werden muss.  

Haltung als lernende OrganisationEinklappen

Schulen, die sich als lernende/agile Organisation sehen, das heißt Veränderung als Chance verstehen, gewonnene Erfahrungen reflektieren und daraus lernen sowie in kleinen Schritten voranschreiten, schaffen die besten Voraussetzungen für eine gelingende Schulentwicklung.

Es muss erlaubt sein, Dinge auszuprobieren und auch wieder zu verwerfen. Ein "Das haben wir schon immer so gemacht" wird durch Formate aufgebrochen, die Begegnung auf Augenhöhe zwischen Schüler*innen und Lehrkräften ermöglichen.

Hilfreich können hier auch Elemente aus der agilen Organisationsentwicklung sein, wie z.B. spannungsbasiertes Arbeiten, SCRUM, integrative Entscheidungsprozesse, Retrospektiven usw. Im Rahmen des Projektes bildete der Loop Approach von The Dive die Basis für die Entwicklung einer agilen Haltung in den BNE-Teams.

Positive SchulkulturEinklappen

Eine positive Schulkultur mit wertschätzenden Beziehungen, vorwurfsfreier Zusammenarbeit, gegenseitiger Unterstützung und ehrlicher Kommunikation fördert die Offenheit im Entwicklungsprozess und das Gemeinschaftsgefühl.

Externe Begleitung und ImpulseEinklappen

Eine externe Unterstützung sowohl auf inhaltlicher als auch auf Prozess-Ebene wird häufig als motivierend und impulsgebend erlebt und erzeugt eine gewisse Verbindlichkeit und Legitimation für den Schulentwicklungsprozess.

Schulentwicklung im Sinne des Whole School Approach ist ein umfassender, ganzheitlicher Wandelprozess für die gesamte Schulgemeinschaft. Sowohl auf individueller Ebene als auch im Unternehmenskontext ist es für solche Wandelprozesse gang und gäbe, sich Unterstützung in Form von Coaching, Prozessbegleitung und Moderation an Bord zu holen. Auch Schulen sollten hier umfassend begleitet und unterstützt werden.

Organisatorische AnpassungenEinklappen

Eine Anpassung der Strukturen an den Prozess baut Hürden ab. So kann durch klare Verantwortlichkeiten, einen neu organisierten Stundenplan oder gewährte Freiräume bei den Beteiligten die Bereitschaft freigesetzt werden, um auf inhaltlicher Ebene leichter Neues auszuprobieren.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse der BNE-Teams im Projekt war der Bedarf an festen Zeitfenstern. Fehlende gemeinsame Zeit für die Steuerungsgruppe ist ein Hemmschuh; institutionalisierte Treffen oder Freiräume im Stundenplan wären ideal, um kontinuierlich arbeiten zu können, sodass der Austausch nicht nur in den Pausen oder am späten Nachmittag stattfindet.

Neben der Steuerungsgruppe benötigt es auch weitere kleine, arbeitsfähige Teams, die an konkreten Themen und Projekten arbeiten. Dies entlastet die Steuerungsgruppe auf inhaltlicher Ebene und erlaubt darüber hinaus eine stärkenorientierte Besetzung der Teams.

BNE-Schulentwicklung ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Die Auswertungen des Projektes zeigen: Sobald Strukturen geschaffen werden, die Zeit für Austausch und echte Partizipation bieten, entsteht eine Eigendynamik, die Schule zu einem lebendigen Lern- und Lebensraum macht.
In einer sich immer schneller wandelnden Welt, muss auch Schule stetig in Bewegung und im Wandel bleiben.

Wie kann ich selbst aktiv werden?

Lehrkräften und Schulteams, die sich nun auch selbst auf den Weg machen möchten, empfehlen wir folgende Schritte:

1. Findet Verbündete!
Sprecht über eure Ideen und Veränderungswünsche innerhalb der Schulgemeinschaft. Durch den Austausch wird sich ziemlich sicher zeigen, dass viel mehr Menschen, als gedacht, bereit sind für den Wandel und ganz ähnliche Ideen haben!

2. Sucht euch Inspiration und Unterstützung!
Holt euch Ideen, Inspirationen und Good-Practice-Beispiele von anderen Schulen.

Sehr zu empfehlen:

3. Fangt im Kleinen an - denkt aber groß!
Überlegt euch, was ihr euch für eure Schule in den kommenden Jahren an Veränderung wünscht und fangt an. Ganz konkret im Kleinen! Bleibt im Austausch untereinander und lernt gemeinsam aus euren Erfahrungen für die nächsten Schritte.


Verantwortlich für die Redaktion: Prof. Dr. Gabriele Schrüfer

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